Unfriendly Takeover – die Working Class Heroes sind tot

Von Christof Berg­er - «There’s class war­fare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s mak­ing war, and we’re win­ning.» («Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg f…

Von Christof Berg­er

«There’s class war­fare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s mak­ing war, and we’re win­ning.» («Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewin­nen.») – Mul­ti­mil­liardär War­ren Buf­fett in einem Inter­view mit Ben Stein in der «New York Times», 26. Novem­ber 2006.

Der notabene dur­chaus kri­tisch gemeinte Befund des US-amerikanis­chen Gross­in­vestors und Unternehmers War­ren Buf­fett trifft gewiss auf die aktuelle poli­tis­che Lage zu und hat ver­mut­lich schon immer zugetrof­fen, ein­fach in unter­schiedlich­er Inten­sität. Wohl­stand und Macht haben zu allen Zeit­en zusam­menge­fun­den. Doch gab es immer­hin mal eine Phase, während der sich Arbeit­nehmende berechtigte Hoff­nun­gen machen kon­nten, den Klassenkampf eigen­händig in den poli­tis­chen Insti­tu­tio­nen aus­fecht­en zu kön­nen. Das ist allerd­ings lange her. Unter dem Vor­wand der Effizien­zsteigerung haben sich bei der Linken in den let­zten drei Jahrzehn­ten fast undurch­läs­sige Bil­dung­shier­ar­chien etabliert. Damit schliesst sie die «werk­tätige Bevölkerung» sukzes­sive von der ern­sthaften aktiv­en poli­tis­chen Teil­nahme aus.

Hochkon­junk­tur der Nachkriegszeit und Kalter Krieg Rück­blick­end ist, recht grob wiedergegeben, die Zeitspanne zwis­chen dem Ende des Zweit­en Weltkriegs bis in die 1980er-Jahre in den west­lichen Indus­trielän­dern von ein­er Ide­olo­gie des «Fordis­mus» oder der «sozialen Mark­twirtschaft» geprägt gewe­sen. Der Begriff «Fordis­mus» bezieht sich auf den Auto­her­steller Hen­ry Ford, welch­er Autos für die bre­ite Masse pro­duzierte und seinen Arbeit­ern genü­gend hohe Löhne zahlte, damit sie sich diese Autos selb­st leis­ten und so den Umsatz ankurbeln kon­nten. Die «soziale Mark­twirtschaft» ver­sucht, die Auswüchse der «freien Mark­twirtschaft» zu lin­dern, indem sie diese mit sozial­staatlichen Kor­rek­tiv­en wie z. B. ein­er Arbeit­slosen­ver­sicherung oder ein­er staatlichen Rente kom­biniert.

Die Löhne stiegen also hoch genug, dass sich die Erwerb­stäti­gen die Pro­duk­te ihrer Arbeit auch leis­ten und daneben noch etwas ans­paren kon­nten. Damit wurde Nach­frage gener­iert und die Wirtschaft am Laufen gehal­ten. Unternehmer und Aktionäre ver­di­en­ten eben­falls nicht schlecht, teil­ten aber die Pro­duk­tiv­itäts­gewinne mit den Belegschaften nur deshalb einiger­massen aus­ge­wogen, weil man riesige Angst vor dem kom­mu­nis­tis­chen Sys­tem hat­te. Die Ide­ale der klassen­losen Gesellschaft und der bedürfnisori­en­tierten Verteilung der Gewinne aus den ver­staatlicht­en Betrieben hat­ten auch im West­en eine gewisse Anhänger­schaft. Gle­ichzeit­ig haben die gegen Ende des 19. Jahrhun­derts ent­stande­nen Gew­erkschaften und linken Parteien, darunter ins­beson­dere die Sozialdemokratis­che Partei, zahlre­iche soziale Forderun­gen durchge­bracht (z. B. Frauen­stimm­recht, AHV, 42-Stun­den-Woche). Es war nicht die von manchen erhoffte Rev­o­lu­tion, aber immer­hin. Der Kalte Krieg (der schwe­lende Dauerkon­flikt zwis­chen den kap­i­tal­is­tis­chen West­mächt­en unter Führung der USA und dem kom­mu­nis­tis­chen soge­nan­nten Ost­block unter Führung der Sow­je­tu­nion) bescherte so den Arbeit­nehmenden und dem Mit­tel­stand des West­ens ein rel­a­tiv angenehmes Leben. Bei den SozialdemokratIn­nen kon­nte ein SBB-Sta­tions­beamter Parteipräsi­dent wer­den und ein Heizungsmon­teur Bun­desrat.

Mauer­fall und neolib­erale Wende Doch dann began­nen die kom­mu­nis­tis­chen Sys­teme des Ost­blocks zu erodieren. Der Kalte Krieg ver­lor seinen Schreck­en. Insofern ist es kein Wun­der, dass ger­ade zu jen­er Zeit eine ökonomis­che Idee aus den 30er-Jahren wieder Aufwind erhielt: der Neo- oder Wirtschaft­slib­er­al­is­mus. Diese Ide­olo­gie besagt, dass alles wirtschaftliche Denken und Han­deln sich selb­st regle und dass es für die «Wirtschaft» deshalb möglichst keine Ein­schränkun­gen respek­tive geset­zliche Regelun­gen geben solle. Es ging und geht also im Wesentlichen darum, das Kap­i­tal vor demokratis­ch­er Ein­flussnahme zu schützen. Unter dem Ein­fluss dieser Denkart wur­den weltweit gültige, insti­tu­tionelle, fixe Rah­menbe­din­gun­gen geschaf­fen, die es der Poli­tik jed­wed­er Fär­bung sys­tem­a­tisch ver­bi­eten, Umverteilung zum Nachteil des Kap­i­tals zu betreiben. Infolge der Glob­al­isierung ver­legten zudem viele Fir­men Arbeit­splätze in Bil­liglohn­län­der und es ent­stand ein ruinös­er Wet­tbe­werb der Nation­al­staat­en um Steuer­vorteile, um die Unternehmen an sich zu binden.

Die neolib­erale Wende ging auch an den sozialdemokratis­chen Parteien nicht spur­los vorüber. In Deutsch­land und Eng­land über­nah­men mit Ger­hard Schröder und Tony Blair Poli­tik­er das Rud­er, wie wir sie vorher nur aus dem Bürg­erblock kan­nten. Auch in der Schweiz gab es inner­halb der Partei zunehmend Flügelkämpfe, doch als das länger­fristig demokratiepoli­tisch grössere Prob­lem sollte sich das Phänomen der «Pro­fes­sion­al­isierung» erweisen.

Ent­las­tung der Basis Bis in die 80er-Jahre bestanden die linken Parteien, Gew­erkschaften und Ver­bände aus rel­a­tiv starken Orts­grup­pen resp. Sek­tio­nen, welche die Poli­tik dieser Organ­i­sa­tio­nen stark prägten und mitbes­timmten. Regionale und nationale Sekre­tari­ate unter­stützten diese Orts­grup­pen oder Sek­tio­nen. Und natür­lich prägten die angestell­ten Sekretärin­nen und Sekretäre die Poli­tik wesentlich mit. Unter dem raueren poli­tis­chen Wind und kon­fron­tiert mit einem kon­tinuier­lichen Mit­glieder­schwund wur­den die Sek­tio­nen ab den 90er-Jahren «ent­lastet» und die Sekre­tari­ate aus­ge­baut. Damit ver­schob sich die poli­tis­che The­menset­zung zunehmend in die Sekre­tari­ate.

Prob­lema­tisch ist dies in mehrfach­er Hin­sicht. Wenn man sich näm­lich das Feld der Mit­glieder ein­er Partei, die soge­nan­nte Parteiba­sis (oder zum Beispiel die Basis ein­er Gew­erkschaft) als Leg­isla­tive denkt und die Sekre­tari­ate als Exeku­tive, dann hat man den gle­ichen Effekt wie durch die bun­desrätlichen Not­mass­nah­men während der Coro­na-Pan­demie: Die Exeku­tive beschliesst mehr oder weniger eigen­mächtig weit­ge­hende Mass­nah­men.

Zudem war es im 20. Jahrhun­dert noch üblich gewe­sen, dass Parteikad­er (oder Gew­erkschaft­skad­er) aus der eige­nen Basis rekru­tiert wur­den. Beson­ders aktive Sek­tionsvor­standsmit­glieder hat­ten so eine gewisse Kar­ri­erechance in der Partei oder in den assozi­ierten Ver­bän­den. Auch dies hat sich grundle­gend geän­dert, seit auss­chliesslich Bil­dungskri­te­rien über die Anstel­lung von Sekre­tari­atsper­son­al entschei­den: Ohne Hochschu­la­b­schluss geht es nun prak­tisch nicht mehr, Learn­ing-by-Doing-Kom­pe­ten­zen sind wert­los gewor­den. Nur was man schwarz auf weiss besitzt, kann man get­rost nach Hause tra­gen. Und so schliesst die ehe­ma­lige Arbeit­er­partei und schliessen die Gew­erkschaften die effek­tiv­en Arbei­t­erin­nen und Arbeit­er sukzes­sive von der ern­sthaften poli­tis­chen Teil­nahme und ins­beson­dere von den bezahlten Jobs und Man­dat­en aus. Bei den seit den 1970er-Jahren eben­falls im linken Spek­trum aktiv­en Grü­nen läuft es im Übri­gen auch nicht anders.

Schon klar, in der Real­wirtschaft sind die Gegeben­heit­en nicht anders. Aber lassen sich die Wet­tbe­werb­sre­al­itäten der Mark­twirtschaft wirk­lich 1:1 auf die Poli­tik über­tra­gen? Set­zt sich nicht ger­ade die Linke für Umverteilung von oben nach unten und gerechte Löhne ein? Sollte dieses Ide­al nicht auch bei Mitbes­tim­mung und poli­tis­ch­er Mit­gestal­tung gel­ten? Ich meine damit nicht nur die Mitbes­tim­mung in den Betrieben. Denn es macht einen fun­da­men­tal­en Unter­schied im Selb­st­wert­ge­fühl, ob man sich selb­st zum Han­deln ermächtigt oder ob man sich anwaltschaftlich vertreten lässt.

Poli­tik für die andern Der Par­a­dig­men­wech­sel ver­lief fliessend und er fiel der Mehrheit umso weniger auf, als sich die Mit­glieder der Jugen­dor­gan­i­sa­tio­nen der meis­ten Parteien seit jeher aus dem Umfeld der Uni­ver­sitäten rekru­tierten. Der Anteil von Akademik­erin­nen und Akademik­ern inner­halb der poli­tis­chen Parteien war daher schon immer rel­a­tiv hoch. Trotz­dem, Arbei­t­erin­nen und Arbeit­er waren bis gegen Ende des 20. Jahrhun­derts in der Linken mehr oder weniger inte­gri­ert, man machte Poli­tik für sich und seines­gle­ichen. Heute wird die Poli­tik für «die da draussen» gemacht – für die Werk­täti­gen, für die Armuts­be­trof­fe­nen, die Migran­tinnen und Flüchtlinge.

Der neue Stil machte sich bei der SP bere­its 1995 mit dem Einzug des Recht­san­walts Moritz Leuen­berg­er in den Bun­desrat bemerk­bar. Er posi­tion­ierte sich als kul­tur­af­fin­er Schöngeist, der mit jed­er Fas­er sein­er selb­st aus­drück­te, dass er mit dem Plebs abso­lut nichts gemein habe. Als er kurz nach sein­er Wahl an einem Gew­erkschaft­skongress mit den Sor­gen der anwe­senden Delegierten kon­fron­tiert wor­den war, liess er sich belei­digt zur Ent­geg­nung hin­reis­sen: «Sie müssen zur Ken­nt­nis nehmen, dass ich jet­zt in mein­er Funk­tion als Bun­desrat nicht mehr ‹der liebe Genosse› bin.»

Irgend­wie falsch fühlt es sich jeden­falls an, wenn heute Nation­al­rätIn­nen plöt­zlich ihre Sym­pa­thie für «die Büez­er» öffentlich kund­tun. Das ist, wie wenn ein Finanzber­ater vom schö­nen, freien und genügsamen Leben der Berg­bauern schwärmt. Wobei das «Büezer»-Bild ohne­hin von rechts bis links zum klis­chiert plat­ten Kitsch hochstil­isiert wird. «Mir chrampfe jede Tag vom Morges­trahl bis ids Aberot, üses Par­füm stinkt nach Schweiss u Bschüt­ti, u nume i üsere Heimat isch es schön», jodeln mit­tler­weile unzäh­lige recht­spop­ulis­tis­che Alpen­rock­er und Büez­er-Buebe aus allen Laut­sprech­ern, und auch die Gew­erkschaften zeich­nen in ihren Pub­lika­tio­nen ein nur unwesentlich dif­feren­ziert­eres Bild: Arbeit­nehmende sind dort auss­chliesslich in ihrer Beruf­sklei­dung porträtiert, die Bauar­beit­er mit Helm und Warn­weste, die Pflegerin­nen in ihren Spitalkit­teln, Pöstler in ihrer Pos­tu­ni­form und Detail­han­delsverkäuferin­nen in der jew­eili­gen Fir­men­schürze. Das sind oft keine Indi­viduen, son­dern als Kollek­tiv insze­nierte fer­nges­teuerte Arbeit­er­sol­dat­en, denen man allen­falls noch ein mehr oder weniger inter­es­santes Hob­by zubil­ligt. Dabei hat sich die Arbeitswelt weg von den Indus­triear­beit­splätzen hin zu den Dien­stleis­tungsjobs bewegt. Und ein erkleck­lich­er Anteil der Erwerb­stäti­gen arbeit­et selb­st­ständig, oft auf eigene Rech­nung und ohne Angestellte.

Umbruch bei der Arbeit­er­bil­dung Vor hun­dert Jahren glaubte die Linke noch an mündi­ge Arbei­t­erIn­nen. Der Schweiz­erische Gew­erkschafts­bund und die SP gründeten1922 die Schweiz­erische Arbeit­er­bil­dungszen­trale, um primär den gew­erkschaftlichen Nach­wuchs zu fördern, Sek­tionsvorstände und Sekretäre auf ihre Auf­gaben vorzu­bere­it­en und arbeit­srechtliche und poli­tis­che Kom­pe­ten­zen zu erlan­gen. Das Bil­dungsin­sti­tut der Gew­erkschaften gibt es immer noch, seit 2001 unter dem Namen Moven­do. Heute wird allerd­ings wesentlich strik­ter als noch vor zwei Jahrzehn­ten zwis­chen Kursen für «Mit­glieder» und solchen für «Mitar­bei­t­ende» unter­schieden. Sekretäre kön­nen mit­tler­weile einen «Lehrgang für Gewerkschaftssekretärin/Gewerkschaftssekretär mit eidg. Fachausweis» absolvieren. Den «eidg. Fachausweis» gab es 1997/98 noch nicht, als der Schreibende, damals Vizepräsi­dent ein­er lokalen Gew­erkschaftssek­tion, den «Lehrgang der Gew­erkschaftss­chule Schweiz» besuchen durfte. Das Engage­ment der «Mit­glieder» dürfte sich wohl über kurz oder lang ermü­den, wenn sie merken, dass ihnen nur die ehre­namtliche Gratis-Knochenar­beit an der Basis zugedacht ist.

Die Poli­tik schwärmt der­weil vom dualen Berufs­bil­dungsmod­ell, hofft auf bessere Chan­cen­gle­ich­heit und ver­spricht ohne­hin zur Lösung fast aller Prob­leme mehr Bil­dung (was zudem nicht riskant ist, lässt sich doch der Erfolg oder Mis­ser­folg der Mass­nahme erst in 15 bis 20 Jahren bemessen). Gle­ichzeit­ig kann man damit aus­drück­en: Wenn ihr Werk­täti­gen euch an der Mitbes­tim­mung und an ein wenig Wohl­stand beteili­gen wollt, müsst ihr halt noch ein Studi­um nach­holen. Oder wenig­stens eure Kinder an die Uni schick­en, wenn die es später bess­er haben sollen. Ob dieser Rat Coif­feusen, Auto­mechaniker, Zug­be­glei­t­erin­nen und Call-Cen­ter-Agents überzeugt? Die Linke set­zt sich seit jeher für Wirtschafts­demokratie ein, also für die Mitbes­tim­mung der Arbeit über das Kap­i­tal. Sie muss sich nun aber je länger je mehr der Frage stellen, ob sie die eige­nen Ide­ale in adäquater Form in den eige­nen Organ­i­sa­tio­nen auch lebt.

Herrschaft der Akademik­erIn­nen Im schweiz­erischen Nation­al­rat sitzen seit 2019 noch 18 «Angestellte». Das sind weniger als 10%, und sie sind selb­stver­ständlich alle­samt in führen­den Posi­tio­nen «angestellt». Die soge­nan­nte werk­tätige Bevölkerung ist fast nur durch eine Branche repräsen­tiert, näm­lich die Land­wirtschaft (15 Man­date), welche dafür im Ver­hält­nis zur Ein­wohn­erzahl völ­lig übervertreten ist. Sys­tem­rel­e­vante Berufe wie Verkauf­sper­son­al sowie Pflegerin­nen und Pfleger, Logis­tikangestellte, Bau­fach­leute u. s. w. wie auch Selb­st­ständi­ger­wer­bende und Klei­n­un­ternehmerIn­nen, also etwa 60% der arbeits­fähi­gen Bevölkerung, sind im Par­la­ment prak­tisch inex­is­tent. Der­jenige Gew­erkschafter, der vor seinem Studi­um immer­hin noch eine Maschi­nen­schlosser­lehre absolviert hat­te, Cor­ra­do Par­di­ni, wurde 2019 abgewählt. Bei der SP und den Grü­nen liegt der Anteil von Akademik­erin­nen und Akademik­ern dafür bei über 80%. Nur der Freisinn und die Grün­lib­eralen stellen noch mehr Akademik­erIn­nen, näm­lich 85%. Ein Drit­tel der Nation­al­rätin­nen und Nation­al­räte sind Beruf­spoli­tik­er. Das Miliz­par­la­ment dro­ht Geschichte zu wer­den. Immer öfter steigen beispiel­sweise für die SP und die Grü­nen Poli­tologin­nen und Poli­tolo­gen gle­ich nach Stu­di­en­ab­schluss direkt in Partei­jobs oder das Kad­er der assozi­ierten Ver­bände (Verkehrsclub, MieterIn­nen­ver­band, KV, Gew­erkschaften etc.) ein.

Diese assozi­ierten Ver­bände sind für eine Politkar­riere wichtig. Ohne ein Spitzen­man­dat in ein­er dieser Organ­i­sa­tio­nen und die daraus resul­tierende Unter­stützung reicht es sel­ten für einen Sitz im nationalen Par­la­ment. Und die Ver­bände stellen prak­tisch nur Per­son­al mit Hochschu­la­b­schluss ein, wom­it sich die Katze wieder in den Schwanz beisst.

Wer­den die Gew­erkschaften zu Ver­sicherun­gen? Es dürfte inter­es­sant sein, in den näch­sten Jahren die Weit­er­en­twick­lung der Gew­erkschaften zu beobacht­en. Viele Gew­erkschaftssekretärIn­nen, die noch aus den Berufs­feldern und Betrieben her­aus rekru­tiert wor­den waren, fan­den zwar eine Zeit lang noch Auf­gaben in den Region­alsekre­tari­at­en. Doch fie­len nicht wenige dieser Stellen in den let­zten zwei Jahrzehn­ten Ratio­nal­isierungs­mass­nah­men zum Opfer. Für einige der betrof­fe­nen Stel­len­in­hab­erIn­nen bedeutete dies einen Abstieg ins Prekari­at – wie soll ein Ü50-Gew­erkschaftssekretär auf dem all­ge­meinen Arbeits­markt noch eine Stelle find­en? Ganz weni­gen gelang der Auf­stieg in die Geschäft­sleitun­gen. Doch diese Gen­er­a­tion wird in den näch­sten Jahren pen­sion­iert. Wer­den sich dann die Arbeit­nehmeror­gan­i­sa­tio­nen defin­i­tiv zu ein­er Art Ver­sicherun­gen entwick­eln? Und gibt es dann defin­i­tiv nur noch Unter­stützung für diejeni­gen Beruf­s­grup­pen, die leicht zu organ­isieren sind und für die mit weni­gen Gross­be­trieben Gesam­tar­beitsverträge abgeschlossen wer­den kön­nen? Was ist mit den land­wirtschaftlichen Ern­te­helferIn­nen aus dem Aus­land? Was mit den Freis­chaf­fend­en?

Das Elek­torat der SP hat sich in den let­zten Jahren zuse­hends von der «Arbeit­er­schaft» zu den linkslib­eralen urba­nen Schicht­en ver­schoben. Dies wohl nicht nur wegen der Dein­dus­tri­al­isierung, son­dern auch, weil die Partei die entsprechen­den Milieus zuse­hends nur mehr «anwaltschaftlich» ver­tritt. Die «Klassenkampf­frage» jedoch ist und bleibt das zen­trale Ker­nan­liegen link­er Poli­tik. Nicht nur die SP, auch grüne Poli­tik­erIn­nen sind heute in den Gew­erkschaften gut vertreten. «Das Ver­hält­nis zwis­chen Armen und Reichen ist das einzige rev­o­lu­tionäre Ele­ment in der Welt», brachte es der Dichter und Rev­o­lu­tionär Georg Büch­n­er schon 1835 auf den Punkt. Die Linke wird es sich somit nicht leis­ten kön­nen, die klare Posi­tion­ierung in der Verteil­frage zwis­chen Arm und Reich, zwis­chen Arbeit und Kap­i­tal sowie zwis­chen nicht akademis­ch­er und akademis­ch­er Bil­dung ersat­z­los durch andere, eben­falls wichtige The­men wie die Kli­mafrage oder die Gle­ich­stel­lung der Geschlechter zu erset­zen. Wieder zu ein­er glaub­würdi­gen Arbeit­nehmerIn­nen­poli­tik zu find­en, ist allerd­ings keine leichte Auf­gabe. Und sie muss umge­hend angepackt wer­den.